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Das TikTok-Universum der (extremen) Rechten

Das TikTok-Universum der (extremen) Rechten

Das TikTok-Universum der (extremen) RechtenMit der Absenkung des Wahlalters bei den Europawahlen 2024 hatten erstmals auch 16-Jährige die Möglichkeit, ihre Stimme abzugeben. Analysen (z. B. Tagesschau bzw. infratest.dimap) zeigen, dass sich junge Wähler:innen dabei stark nach rechts (außen) orientieren. Tatsächlich gaben 16 % der 16- bis 24-Jährigen ihre Stimme der Alternative für Deutschland (AfD). Damit bestätigt sich die bereits in der Jugendstudie Deutschland 2024 festgestellten hohen Zustimmungswerte für diese Partei.

Zurückgeführt wird die Sympathie für rechtsextreme Politik auch auf die hohe Präsenz rechtsextremer Akteur:innen auf Social Media, und dort vor allem auf der bei Jugendlichen beliebtesten Plattform TikTok. Lange Zeit haben andere Parteien der AfD das Spielfeld überlassen. Es konnte sich ein „mediales Paralleluniversum“ (BS Anne Frank) herausbilden, das auf die Meinungsbildung junger Menschen einen großen Einfluss hat.

Der Report der Bildungsstätte Anne Frank

Die Bildungsstätte Anne Frank analysiert in ihrem aktuellen Report Trends, Strategien und Ästhetiken im rechtsextremen „Medienkosmos“ auf TikTok und gibt sowohl Hinweise zur öffentlichen Debatte als auch Empfehlungen zur medienpädagogischen Prävention.

Die Polykrise unserer Zeit wirkt mit Wucht auf unsere Psyche ein. Hochkomplexe Probleme wie zum Beispiel die Klimakrise, Migration oder die Kriege in der Ukraine und in Gaza scheinen unlösbar. Häufig werden damit zusammenhängende Ereignisse zugunsten der „Clickability“ in reißerische Videos verpackt und von Demagog:innen genutzt, um ihre dichotomen Ideologien in den digitalen Räumen junger Menschen zu verbreiten. Rechtsextreme Akteur:innen kapern die Sorgen und Nöte der jungen Menschen und beeinflussen sie – technisch versiert – in ihrem Sinne. Alternativen dazu wurden auf TikTok lange nicht angeboten. Erst im Frühjahr 2024 folgten etablierte Parteien nach. Akteur:innen in Bildung, Politik und Zivilgesellschaft wären gut beraten, die Plattform als Medium der jungen Generation anzuerkennen, aktiv zu nutzen und mitzugestalten.

Narrative und Ästhetik der (extremen) Rechten

Die Studie erklärt zunächst die Funktionsweise des Algorithmus von TikTok, der die Nutzer:innen rasch in eine politisch eindimensionale Blase bringt. Content von Creator:innen, der polarisiert und Emotionen wie Wut oder Empörung schürt, führt zu Reaktionen und Interaktionen, die den Algorithmus füttern. Die AfD ist schon lange auf der Plattform präsent, hat ihre populistischen Inhalte ideal auf sie angepasst und damit enorme Reichweiten erzielt. Sie setzt dabei auf Masse statt auf Inhalte und erreicht auch die jüngsten und besonders vulnerablen Nutzer:innen, die kaum über die Kompetenzen verfügen, (Des-)Informationen einzuordnen.

Die Studie liefert eine Bestandsaufnahme der rechtsextremen Inhalte und Narrative wie Nationalismus, Rassismus, Abwertung von Frauen und Antisemitismus sowie der Themen, die Jugendliche besonders beschäftigen. Sie analysiert anhand konkreter Beispiele Formen und Techniken, wie genau diese Themen auf TikTok von rechtsextremen Akteur:innen präsentiert werden und mit welchen Kernbotschaften, Feindbildern und vorgeblichen Lösungen sie verknüpft werden. Die Studie bietet zudem eine Auswahl konkreter rechter TikTok-Accounts mit Anzahl der Follower:innen und Inhalten.

Optik und Sound, deren sich rechtsextreme Akteur:innen bedienen, sind zwar unterschiedlich. Gemeinsam ist ihnen aber das Bestreben, rechte Symbole, Bilder, Reden und Inhalte in einer mainstreamkompatiblen Ästhetik zu vereinen. Genutzt wird dazu das gesamte Angebot an technischen Möglichkeiten. Die ganz eigene Ästhetik fungiert dabei als Gestaltungsmittel, zur indirekten Kommunikation und zur subkulturellen Identifikation. Sie zeigt sich beispielsweise in Bildern (auch KI-generiert), Memes, Emoji-Codes, Abkürzungen und Zahlencodes.

Fazit

Der Report deckt die Funktionsweise des Algorithmus von TikTok auf und zeigt an konkreten Beispielen, wie dieser bei jungen Menschen verfängt und rechtsextreme Inhalte bisher quasi alternativlos unter ihnen verbreitet. Er macht deutlich, wie sich rechtsextreme Akteur:innen die Sorgen junger Menschen vorgeblich zu eigen machen und sie mit dem Angebot einfacher, ideologischer Lösungen unter versierter Anwendung der vielen technischen Möglichkeiten, die das Medium bietet, an sich binden.

Mithilfe zahlreicher Screenshots können sich Leser:innen ganz konkret über die Techniken und Tricks der rechtsextremen TikTok-Creator:innen informieren und diese entlarven. Es soll nicht darum gehen, TikTok zu dämonisieren. Es braucht vielmehr einen aktiven, kompetenten und gestalterischen Umgang mit dem Medium. Die Studie unterbreitet praktische Vorschläge, wie dieser im schulischen und außerschulischen Kontext vermittelt werden kann.

Auch unsere Mekomate zur TikTok-Initfada – der 7. Oktober und seine Folgen im Netz und zu TikTok als (Des-)Informationsraum für Jugendliche, Materialien der Amadeu Antonio Stiftung, beschäftigen sich mit der Plattform.

Titel

Das TikTok-Universum der (extremen) Rechten

Quelle (Erscheinungsjahr)

Bildungsstätte Anne Frank (2024)

Link zur Studie:

www.bs-anne-frank.de