Neben dem Thema Dark Patterns sind es vor allem die psychologischen Strategien und Mechanismen, die Social Media in die Kritik bringen. Denn offensichtlich verbringen viele – nicht nur junge – Menschen mehr Zeit mit den Diensten und Plattformen, als ihnen guttut. Warum ist das so und was kann man dagegen machen? Damit beschäftigt sich der Autor Christian Montag in dem vorliegenden Buch.
Der Persönlichkeitspsychologe und Hirnforscher diskutiert an der Schnittstelle zwischen Psychologie und Informatik, wie die Tech-Konzerne unsere Bedürfnisse nach Anerkennung, Bestätigung und Zugehörigkeit nutzen. Dass es im Interesse der großen Plattformanbieter wie Facebook, Google und Co. liegt, Menschen möglichst lange und eng an ihre Dienste zu binden, um möglichst viele Daten sammeln zu können, dürfte mittlerweile hinlänglich bekannt sein. Aber warum sind einige anfälliger für die Angst, etwas zu verpassen (FoMo; Fear of Missing Out)? Wie funktioniert diese Manipulation genau und wo liegt die Grenze zur Abhängigkeit? Wer gerät eher in eine Filterblase und entwickelt Intoleranz gegenüber Andersdenkenden?
Den zentralen Erklärungsansatz findet Montag in der Medienwirkungsforschung, näherhin im Nutzen- und Belohnungs-Ansatz (uses and gratification approach). Demnach wenden wir uns Medien dann zu, wenn sie unsere menschlichen Grundbedürfnisse befriedigen. Und Social Media schaffen es hervorragend, unsere Bedürfnisse nach Kommunikation, nach Austausch mit anderen, aber auch nach Unterhaltung und Information zu befriedigen. Hinzu kommen Erkenntnisse aus den „Big Five“ der Persönlichkeitspsychologie, etwa dass Extravertierte eher Social Media nutzen aufgrund des Bedürfnisses nach sozialer Aufmerksamkeit.
Erfreulich an dem Buch ist nicht nur, dass es kenntnisreich und gut lesbar geschrieben ist. Es versammelt auch viele grundlegende, zum Teil bereits bekannte Informationen, sodass es als Einstieg in das Thema gut geeignet ist. Vor allem aber vermeidet Montag – im Gegensatz zu manch anderen Autor:innen – jeglichen Alarmismus oder reine Negativ-Botschaften über Social Media. Vielmehr zeigt er plausible und gut umsetzbare Strategien zum Selbstschutz auf, die über ein bloßes „digital detox“ oder (in der Regel irrationales) „Abschalten“ bzw. „Verzichten“ hinausgehen. Direkt mit Menschen zu kommunizieren kann zum Beispiel durchaus helfen, Missverständnisse in Messengern zu vermeiden. Und sich selbst etwa durch Abwesenheitsmitteilungen vor dem ständigen Informationsfluss abzuschirmen, wäre auch in Messengern und Social Media-Plattformen ein gutes Mittel, dem Stress durch beschleunigte Kommunikation entgegenzuwirken.
Titel
Christian Montag: Du gehörst uns! Die psychologischen Strategien von Facebook, Tiktok, Snapchat & Co – und wie wir uns vor der großen Manipulation schützen. Schriftenreihe der BpB, Bd. 10870.
Quelle (Erscheinungsjahr)
Sonderausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung (2022)
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