Kinder und Jugendliche stoßen im Netz auf pornografische Inhalte und werden leicht Opfer sexualisierter Gewalt. Immer öfter betreiben sie aber auch selbst Sexting, d. h. sie tauschen digitale Nachrichten, Fotos oder Videos mit explizit sexuellem Inhalt aus. Die neue Ausgabe der Studie der Landesanstalt für Medien NRW untersucht die Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen mit Sexting und Pornos und den Zusammenhang zwischen frühem Pornokonsum und Sexting. Eine Kausalität kann sie nicht nachweisen. Dennoch liegt der Verdacht nahe. Denn fast die Hälfte der Befragten, die bereits einen Porno gesehen haben, geben an, sich davon für ihr Sextingverhalten inspirieren zu lassen.
Wie bereits bei der Vorgängerstudie aus dem Jahr 2023 wurden mehr als 2.800 in Deutschland lebende Jugendliche zwischen 11 und 17 Jahren online mittels eines strukturierten Fragebogens befragt, quotiert nach Alter und Geschlecht. Die neue Ausgabe der Studie enthält einige Ergänzungen und Anpassungen im Vergleich zur Erhebung im Vorjahr. Dazu gehören die Aufnahme neuer Fragen sowie die Modifikation bestehender Fragen und Antwortmöglichkeiten im Sinne einer besseren Verständlichkeit für Kinder und Jugendliche. Deshalb liegen nicht für alle Fragen Vergleichswerte vor.
Zunahme des Sexting-Austauschs mit Fremden
Fast die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren gibt an, bereits einen Porno gesehen zu haben. Das ist deutlich mehr als im Vorjahr. Waren es 2023 noch 35 %, so waren es 2024 bereits 42 %. Anlass zur Sorge gibt die Tatsache, dass diese Steigerung nur die 11- bis 13-jährigen Jungen und Mädchen betrifft. Bei den älteren Jungen ist der Wert gleichbleibend, bei den älteren Mädchen sogar abnehmend. Das bedeutet, dass immer mehr Kinder in häufig unfreiwilligen Kontakt mit Pornos kommen.
Sowohl bei Pornos als auch beim Sexting findet der Erstkontakt meist im jungen Alter von 12 bis 15 Jahren statt, und zwar häufig unfreiwillig oder zufällig. Den Allermeisten fällt es schwer, das Gesehene einzuordnen. So bewerten nur etwa 28 % Pornos als unrealistisch. Das frühe, unvorbereitete und unbegleitete Erleben von Pornografie kann massive Auswirkungen auf die Selbstwahrnehmung und die Entwicklung der eigenen Sexualität haben.
Ein Viertel der Befragten gibt an, bereits eine Sexting-Nachricht erhalten zu haben. Dabei haben mehr als drei Viertel von diesen die Nachricht unaufgefordert erhalten. Mehr als ein Viertel der Befragten sendet Sexting-Nachrichten an Personen, die sie nicht persönlich kennen. Im Vorjahr waren es nur 11 %. Dasselbe gilt für die Weiterleitung von Pornos (28 % im Jahr 2024 gegen 6 % in 2023). Werden Kinder und Jugendlichen unvorsichtiger? Immer häufiger wird WhatsApp als Sexting-Plattform genutzt (2024: 68 %, 2023: 57 %). Durch die Funktion des Gruppenchats ist die Kommunikation mit Unbekannten wesentlich erleichtert worden. Das ist möglicherweise nicht allen Erziehenden bewusst. Hier ist Gefahr im Verzug, die nach Aufmerksamkeit der Erziehenden einerseits und nach Lösungen durch die Messengerplattform andererseits verlangt.
Fazit
Für Erziehende ist es schwer vorstellbar, wie einfach Kinder und Jugendliche heute an Pornografie herankommen. Und schon gar nicht können sie sich vorstellen, dass die ihnen anvertrauten Kinder selbst aktiv solches Material herstellen oder verschicken. Aber das ist inzwischen Realität. Die Zahlen in der quantitativen, deskriptiven Studie belegen es. Sie zu interpretieren und Konsequenzen für die Erziehungsarbeit zu ziehen, das ist die Aufgabe der Erziehenden: Eltern und pädagogische Fachkräfte im schulischen Bereich und in der außerschulischen Kinder- und Jugend(medien-)arbeit. Hier sind Aufklärung und Anlaufstellen gefragt, um Kinder und Jugendliche zu schützen. Zudem ist ein zuverlässiger und effektiver Jugendmedienschutz im digitalen Bereich gefordert, der bei den Pornoplattformen bisher leider nur schwer umzusetzen ist.
Weitere Materialien zum Thema finden sich auf mekomat.de unter den Schlagwörtern Sexualität und Pornografie, beispielsweise die umfangreichen Arbeitsmaterialien zu Sexualität, Identität und Pornografie von klicksafe.
Titel
Erfahrung von Kindern und Jugendlichen mit Sexting und Pornos
Quelle (Erscheinungsjahr)
Landesanstalt für Medien NRW (2024)
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