Selbstverständlich sind Medien nicht per se gefährlich. Deshalb wirkt es vielleicht irritierend, dass zwei große medienpädagogische Forschungseinrichtungen im Auftrag der – damals noch – Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) 2019 erstmals einen Gefährdungsatlas erstellt haben. Allerdings wäre es naiv, die Augen zu verschließen vor den zahlreichen Problemen, die digitale Medien und vor allem Social Media mit sich bringen. Ebenso klar ist, dass das Wohlergehen von Kindern und ihr selbstverständliches Schutzbedürfnis ein Ausgangspunkt (medien-)pädagogischen Handelns sein muss.
Der Gefährdungsatlas ist Teil der Strategie der nach der letzten Reform des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) im Mai 2021 mit einem erweiterten Auftrag versehenen und umbenannten Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ). Denn die Reform des JuSchG bedeutete auch eine maßgebliche Erweiterung der Schutzziele. Neben den Schutz vor entwicklungsbeeinträchtigenden und jugendgefährdenden Medien sind der Schutz der persönlichen Integrität und die Förderung von Orientierung für Kinder, Jugendliche, Eltern und pädagogische Fachkräfte getreten. Das drückt auch der Untertitel „Digitales Aufwachsen. Vom Kind aus denken. Zukunftssicher handeln.“ des Gefährdungsatlas aus.
Erarbeitet hat ihn das JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, München, in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI), Hamburg. Darin ist zum einen eine systematische Darstellung der Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen enthalten. Zum anderen gibt er Aufschluss über Medienphänomene und die damit verbundenen möglichen Gefährdungen für Heranwachsende.
Dabei fällt positiv auf, dass nicht nur die sattsam bekannten Probleme wie Cybermobbing, Hate Speech und Fake News thematisiert werden. Vielmehr werden insgesamt 43 Medienphänomene beschrieben, die auf Problemlagen im Kontext digitaler Medien verweisen, darunter auch algorithmische Empfehlungssysteme, Identitätsdiebstahl, Urheberrechtsverletzungen und „Tasteless“-Angebote. Allerdings geht es den Autor:innen nicht um ein Herausstellen der Gefährdungen als solcher: „Neben den Gefährdungen werden auch fördernde Funktionen für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen in den Blick genommen. Sie sind teilweise ebenfalls mit den Medienphänomenen assoziiert und begründen gerade den kinderrechtlichen
Teilhabeanspruch an der digitalen Mediennutzung.“ (S. 3).
Fazit
Der vom JFF und HBI erstellte Gefährdungsatlas der BzKJ bietet einen umfassenden Überblick über Problemlagen im Kontext digitaler Medien. Er dient der BzKJ als Arbeitsgrundlage für einen Strategieprozess und soll laufend weiter fortgeschrieben werden. Dies wird auch künftig der Fall sein müssen, da – über den Kinder- und Jugendmedienschutz deutlich hinausreichende Phänomene – wie Dark Patterns oder die Auswirkungen der KI-Entwicklung hier noch nicht berücksichtigt sind.
Titel:
Gefährdungsatlas. Digitales Aufwachsen. Vom Kind aus denken. Zukunftssicher handeln. Aktualisierte und erweiterte zweite Auflage
Quelle (Erscheinungsjahr):
Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) (2022)
Download als PDF über die Website des Herausgebers:
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